Wie vielen von uns geht es so: Wir versuchen im Großen oder Kleinen, den Körper zu bändigen, zu domestizieren. Zum Beispiel mit Essen, Sport, Kosmetik, Medikamenten, Kleidung ... Die Gedanken kreisen in engen Schleifen um den Körper, seine unkontrollierbaren Gelüste und unvorhersehbaren Veränderungen. Wünsche werden auf später verschoben, weil der Körper noch nicht passt. Wie viele Dates, steile Outfits, unbeschwerte Urlaube und andere Gelegenheiten haben wir verpasst, weil wir glaubten, unser Körper sei falsch?
Seit einigen Wochen besuche ich mit Begeisterung Shawna Farrow's Kurs "Body Confidence & Empowerment". Einmal wöchentlich treffen wir uns in Shawnas gemütlichem Wohnzimmer und entwirren die inneren Knoten rund um Körperbild, Selbstwert, und Selbstbewusstsein. JedeR hat eine eigene Geschichte, aber alle haben wir eine Erkenntnis gemeinsam: Die Art, wie uns beigebracht wurde, unseren Körper zu behandeln, funktioniert einfach nicht. Exzessive Beschäftigung mit dem Körper, Kontrolle, Bestrafung, Ablenkung oder Ignoranz ... alles für die Katz. Wir wollen etwas Anderes. Es soll sich gut anfühlen in unseren Körpern. Ganz befriedet, völlig frei, selbstbewusst.
Verwilderung: Du bist ein Organismus, kein Objekt
Ich weiß, dass der Weg dorthin nicht mit noch mehr Kontrolle gepflastert ist. Genau die hat uns ja schon in die Bredouille gebracht. Im Lauf unseres Erwachsenwerdens wandern wir vom Körper in den Kopf aus. Vom Oberstübchen aus blicken wir auf den Körper und bemessen, wiegen und beurteilen ihn. Der Verstand sieht im Körper ein unpraktisches, aber notwendiges Ding, das er braucht, um von A nach B zu kommen. Ein Ding, auf das man nicht hören darf (sonst äße man ja nur noch Schockolade), ein Ding das unbedingt in Schach gehalten werden muss, um dazuzugehören. Bauch rein, Brust raus, Lächeln an - aber nicht zu viel, sonst sieht man die Falten.
Ich nenne dieses Phänomen den "domestizierten" Körper. Wir erleben uns nicht mehr IM Körper, wild und unmittelbar. Stattdessen betrachten wir uns von außen. Entweder wir sezieren regelmäßig, wo es schwabbelt, schwächelt oder altert. Oder wir beamen uns ganz raus und lenken uns mit Essen, Fernsehen, Handy vom Körperlichen ab.
Wenn wir den Körper als Objekt betrachten, das sich nach Belieben abreißen, umbauen und reparieren lässt, hacken wir damit unseren Selbstwert um. Denn Selbstwert ist eine intakte Körper-Geist-Verbindung. Wie bei Kindern, die nicht zwischen sich und ihrem Körper unterscheiden. Sie SIND der Wind in ihrem Haar, die Kiesel unter den Füßen, die Sonne auf den Armen. Es gibt keine Mauern zwischen ihrem Körper und ihrem Sein. Sie leben im Körper und als Körper.
3 Wege in die Wildnis
Dein Selbstwert und Selbstbild wurzeln in einer intakten Körper-Geist-Beziehung. Vielleicht lebst du eher Körper-Geist-Krieg, in dem der Kopf den Körper ständig anschreit, herumkommandiert oder beschämt. Beziehung hingegen bedeutet Respekt, Kommunikation, Einlassen und Achtsamkeit. Keine Beziehung gelingt, wenn ein Partner den anderen domestizieren, kontrollieren und seinen Wunschvorstellungen anpassen möchte. So ist es auch mit der Beziehung zum Körper.
Die treue, tiefe Liebe, die du unterbewusst suchst, wird sich in dir entfalten, wenn du den Körper sein lässt und freigibst. Lass dir von diesem weichen, warmen Tier etwas übers Leben erzählen, statt es ständig zu gängeln.
Macht dir das Angst?
Sehr gut. Dann bist du auf der richtigen Fährte.
Weg 1: Bewegung
Ist dir mal aufgefallen, dass wir sprechen, als wäre der Körper ein Gebäude? Wir sagen WirbelSäule, BeckenBoden, SchädelDach. Aber dein Körper ist ein Organismus, kein Haus. Wenn du deinen Körper als Objekt behandelst, wirst du automatisch starr, eckig und verspannt.
Das kannst du mit natürlicher, naturnaher Bewegung verändern. Wenn du spazieren gehst, Yoga machst, tanzt oder radelst, nimm die wilden Qualitäten deines Körper wahr. Eine gute Hilfe dabei sind innere Worte oder Bilder, die deine Bewegung begleiten. Alle guten Lehrer*innen, die ich kenne, verwenden gezielt Bilder, um Bewegung zu unterstützen. Denk zum Beispiel WirbelRAUPE statt Wirbelsäule, BeckenQUALLE statt Beckenboden und SchädelBLUME statt Schädeldach. Beweg' dich mit diesen Bildern und beobachte, was dabei passiert.
Weg 2: Essen
Wir haben fast alle extrem viel inneren Stress rund um Ernährung aufgebaut. Da gibt es mentale Einteilungen von Nahrungsmitteln (gut/böse, clean/dirty, fettmachend/schlankmachend), starre Identitäten (Allesesser/vegan/Paleo/...); erlernte Zwänge, Prägungen und vieles mehr. Außerdem erleben die wenigsten von uns noch Mahlzeiten ohne Eile, Handy, Fernseher, Musik oder Reden. Dabei ist Essen ein Mega-Event für dein Nervensystem: so viel zu schmecken, zu spüren, zu riechen! Wenn du bei der Sache wärst, würde es dir die Socken ausziehen.
Du willst den Stress ums Essen lösen? Vergiss alle "gesunden Ernährungspläne". Es kommt nicht so sehr auf die Lebensmittel an, die du in dich reinkippst, wenn du währenddessen am Handy rumspielst. Die Angst, Einsamkeit oder Nervosität, von der du dich ablenkst, stopfst du so nämlich nur tiefer in dich rein. Gefühlen ist es herzlich egal, unter welcher Art von Essen sie begraben sind - sie sind da und sie wollen gehört werden. Eine völlig unbeschwerte Beziehung zum Futter bekommst du nur, wenn du dich von allen Konventionen und Labels befreist und aufmerksam isst. Nimm dir einmal täglich Zeit für eine Mahlzeit, bei der es nur darum geht, in Kontakt mit dir zu sein - ohne Handy etc. Am Besten gelingt es mir mit diesen drei Schritten:
- Entspann deinen Bauch, wenn du einen Bissen nimmst
- Benenne innerlich, was du im Mund spürst, z.B. sehr salzig, knusprig, samtig, ...
- Bennen, was du emotional fühlst, z.B. Nervosität, Freude, Einsamkeit, Befriedigung
Wenn du allmählich reinkommst, entsteht beim Essen ein richtig tiefer Bewusstseinsstrom. Komm immer wieder mit Güte zu den 3 Schritten zurück. Ja - das ist viel anstrengender als Wegbeamen und Futtern vor dem Fernseher. Aber es erstaunt mich immer, wie viel beim Essen abgeht, was richtig wichtig für unser Leben ist. Du wirst nicht nur deinen Körper damit ernähren, sondern auch dein Herz und dein Sein. Beschäftige dich mit Intuitivem Essen, wenn du mehr Info zum Thema willst.
Weg 3: Körperlandkarte
Wir haben alle weiße Flecken auf der Körper-Landkarte, also Bereiche, die wir nicht gern besuchen. Wir verstecken und vergleichen sie, duschen nur hastig drüber oder bekriegen sie ganz gezielt. Oft haben wir uns mit diesen Stellen ausführlich beschäftigt, spüren sie aber nicht richtig. Weißt du, wie sich dein Bauch, den du nicht magst, von innen anfühlt? Wie sieht es in den "zu dicken" Schenkeln innerlich aus? Kannst du sogar deine Hand drauf legen und einfach nur achtsam sein, ohne zu werten?
Fülle deine Körperlandkarte mit Achtsamkeit und Sinnesempfindungen, statt mit Urteilen. An der Grenze zu den leeren Stellen der Körperlandkarte sitzt meistens der innere Kritiker und schimpft sehr laut. Er sagt dir vielleicht, dass du kein Recht hast, einfach zu fühlen oder dich gar wohl zu fühlen - so wie du aussiehst! Er ist so ein Blödmann. Hör nicht auf ihn.
Gehe eine Weile allen Spiegeln aus dem Weg, um dich besser auf deine Körperwahrnehmung konzentrieren zu können. Du wirst überrascht sein von deinen Entdeckungen. Vielleicht stellst du fest, dass sich ein gehasster Körperteil von innen richtig kraftvoll und und gesund anfühlt. Versuche, dich mehr und mehr mit dem zu identifizieren, was du spürst, statt mit dem, was du siehst.
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Tamara (Mittwoch, 01 Mai 2019 17:29)
Liebe Susanna
Ich stöbere gerade auf deiner Webseite und muss dir etwas dalassen. Ich bin tief berührt von dir und von dem was du hier von dir gibst.
Ich habe gerade bei diesem Artikel geweint weil, ja, es macht mir Angst meinem Körper zu vertrauen. Diesem warmen weichen Tier.
Ich danke dir! Habe mich gleich angemeldet für deinen 5 Tage Yoga Online Kurs <3
Alles Liebe, Tamara
Susanna (Montag, 06 Mai 2019 12:27)
Liebe Tamara,
herzlich willkommen auf meiner Seite! Ich freue mich, dass der Artikel etwas in dir anrührt. Alles Gute für dich und dein Körpertier!
Susanna