Eine grausige Geschichte steckt hinter den viel geübten Krieger-Haltungen Virabhadrasana I, II und III.
Virabhadra wird heute in fast jeder Yogaklasse zumindest in einer Variante geübt. Doch seine blutrünstige Herkunft wird dabei gerne verschwiegen. Virabhadra gehört zu einem
der aggressivsten Kapitel im Leben Shivas, dem mythischen Big Daddy des Yoga.
Von wegen Aggressionsmanagement! Was wir in dieser Geschichte über Shiva lesen, zeugt von völligem Kontrollverlust, großem
Schmerz und Zorn. Ist so eine Höllenwut überhaupt noch "echtes Yoga"? Was können wir lernen von diesem Berserker?
Virabhadras Geschichte
Virabhadra entsteht aus einer Locke, die sich Shiva wutentbrannt vom Schädel reißt. Denn gerade hat sich seine Frau Sati umgebracht. Shivas Zorn & Schmerz sind nicht mehr zu bremsen. Was
ist geschehen?
Satis Vater ist Daksha, ein reicher und mächtiger König. Er macht sich seit Jahren über die Ehe seiner Tochter lustig, denn er sieht in Shiva keinen passenden Schwiegersohn - der
Gott ist so gar nicht königlich mit seinem asketischen Lebensstil. Bei einem großen Opferfest beschämt König Daksha seine Tochter öffentlich und verstößt sie endgültig aus der
Familie. Daraufhin wirft sie sich ins Opferfeuer.
Als Shiva erfährt, dass seine Frau gestorben ist, reißt er sich wutentbrannt die Haare aus. Eine seiner Locken schleudert er auf das Opferfest; sie formt einen fürchterlichen
Krieger, Virabhadra. Shiva gibt seinem Krieger auch gleich eine Mission: "Töte sie alle!" Und so metzelt Virabhadra alle nieder, die ihm in den Weg geraten, und köpft
zuletzt den arroganten König Daksha.*
Die Krieger-Haltungen
Über Gesunde Wut
Man könnte argumentieren, dass mörderische Wut immer schlecht ist und selbst Shiva nicht vor furchtbar dunklen Momenten gefeit war. Vielleicht lässt sich dieser dunklen, blutrünstigen
Energie aber auch etwas Hilfreiches abgewinnen. Immerhin ist sie von einem Gott geschaffen. Virabhadrasana ist eine Unterstützung, um gesunden Zorn
ausdrücken zu lernen.
Verwenden wir unseren Zorn, um uns zu rächen, um zu punkten, in die Knie zu zwingen oder niederzuargumentieren?
Oder nutzen wir ihn, um die Nähe zu unserem Gegenüber wiederherzustellen?
Um Scheinheiligkeit,
emotionalen Schutt und
lebensverneinende Investitionen
auf mitfühlende Weise auszubrennen?
Robert Augustus Masters**
Dass selbst Shiva, der große Yogi, von heftigen Emotionen gebeutelt wird, finde ich doch beruhigend. Seine Wut richtet sich gegen Selbstgerechtigkeit und Verbohrtheit, wie sie
Satis Vater an den Tag legt. Denn es geht König Daksha nie ums Glück seiner Tochter, sondern ausschließlich um den eigenen Ruf und Einfluss.
Gesunder Zorn erfasst uns, wenn ein Gesetz des Herzens missachtet wird. Das geschieht zum Beispiel, wenn wir mit Unrecht gegen Schwächere, Lust an Quälereien, Feigheit oder
Hartherzigkeit konfrontiert werden. Virabhadra steht für eine Form der Entrüstung, die durch kein Gutreden oder Verständnis mehr besänftigt werden kann.
Gerade als Yogis unterliegen wir dem Versuch, zu schnell und in allem den guten Kern sehen zu wollen. Wir machen gute Miene zum bösen Spiel und ignorieren die Warnsignale unserer
Instinkte.
Es mag uns entsetzen, aber tatsächlich sind auch die Besten unter uns manchmal verblendet, selbstgerecht und verletzend. Virabhadra ist die Kraft, die solchen Handlungen einen Riegel
vorschiebt.
Finde in deinem nächsten Virabhadrasana jenes intensive Mitgefühl, das nicht länger schweigen und klein beigeben möchte. Keine blinde Wut, sondern sehender Zorn, der im
Auftrag deines Herzens agiert. Zum Wohle aller Beteiligten.
*Der ganze Mythos von Shivas phänomenalem Wutausbruch ist hier nachzulesen:
**Zitat frei übersetzt aus: Robert Augustus Master, Transformation through Intimacy.
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Tamara (Dienstag, 21 Juni 2016 08:53)
So viel Zorn grad in mir... Ich trag ihn jetzt auf die Matte und schau hin.
Danke Susa <3
Susanna (Dienstag, 21 Juni 2016 19:59)
Danke fürs Vorbeischauen, Tamara! Und ich schnaube im Geiste mit dir. :-D Wünsche dir viele gute Erkenntnisse!