Was, wenn meine Tagesgestaltung nicht nur die äußere Planung umfassen würde, sondern auch die Gestaltung von Gedanken und Gefühlen?
Angesichts der unzähligen Stimmungen, die mich täglich heimsuchen, scheint das ein einschüchterndes Vorhaben zu sein. Und doch: Ist es nicht verlockend, mein inneres Klima ganz unabhängig von äußeren Faktoren mitformen zu können?
Hier ist ein 5-Schritte-Prozess, um den Tag innerlich vorzubereiten. Ich nutze ihn seit einigen Monaten jeden Morgen und beobachte, dass er mir mehr Fokus und Sinn fürs
Wesentliche schenkt. Wie schon meine Professorin auf der Musikuni meinte:
"Erst klare Strukturen ermöglichen dir, frei zu spielen."
Sankalpa
संकल्प
Sankalpa wird übersetzt mit Absicht und Wille.
Die Steuerung der Gefühle geschieht genau wie die des Körpers durch Absicht: es ist eine Absicht, die meine Finger bewegt. Und es ist eine Absicht, die die Wellen meiner Gefühle lenken kann. Die
Richtung, in die ich meine Gefühle lenke, ist mein Sankalpa. [Merh zum feinen Unterschied zwischen positiver und negativer Selbst-Beherrschung weiter unten.***]
Sankalpa bedeutet aber nicht nur Absicht und Wille. Es ist ein Versprechen an mich selbst, meinem Wesen treu zu bleiben. Sankalpa bildet das Rückgrat einer soliden
Yoga-Praxis und eines Lebensstils, der die heilsamen Prinzipien der Yoga-Philosophie verkörpern möchte.
Sankalpa für den Tag: 5 Schritte
Ich setze mich dazu gerne mit dem ersten Kaffee/Tee und meinem Notizbuch ins Bett zurück. Die nachfolgenden Schritte geschehen entspannt, aber zügig. Traue dem ersten Impuls.
Gestatte jedem Tag, wirklich neu und überraschend zu sein. Das richtige Sankalpa ist nicht immer handzahm, sondern berührend.
1.) Fühl den Tag.
Ich entwickle ein Gespür für heute. Meine Aufmerksamkeit richtet sich unter mich, über mich, rundherum. Ich mache mich leer und lausche. Was ist das Tempo, die Stimmung meiner Umgebung? Was liegt
in der Luft?
2.) Fühl dich selbst.
Ich entwickle ein Gespür für mich. Eine Hand ruht auf dem Herzen. Die Aufmersamkeit wandert nach innen. Was ist mein Tempo? Was die vorherrschende Emotion? Der vorherrschende Gedanke? Heutige
To-Do's, die eine Rolle spielen?
3.) Fühl den schöpferischen Willen.
Meine Hand ist am Herzen. Was will ich heute erleben? Welche Qualität soll in Gefühlen, Gedanken und Taten vorherrschen?
4.) Halte es fest.
Ich formuliere mein Sankalpa in einfachen Worten, die mich berühren.
Am Besten in meinem Kalender, den ich überall hin mitnehme, oder als Handy-Notiz.
Die Regeln: Formuliere in der Jetzt-Zeit. Formuliere so, dass du eine körperliche Reaktion verspürst: stark und optimistisch.
5.) Kehr zurück.
Während des Tages ist es eine Wohltat, für ein oder zwei Atemzüge in die Atmosphäre des Sankalpas einzusteigen. Ich vergleiche es mit dem kurzen Nachstimmen meines Instruments, bevor ich weiterspiele. Innehalten, hinhorchen, nachjustieren. Schon kann die Musik weitergehen.
Einige Beispiele zu verschiedenen Bereichen
Kommunikation: "In jedem Gespräch sehe ich die Möglichkeit, vollkommen gegenwärtig zu sein. Ich lehne mich in die Begegnung hinein. Ich vertraue der Kraft unserer Worte und der Kraft des
Ungesagten. Ich vertraue unserer Verbindung."
Entscheidungen: "Ich lasse Gedanken und Eindrücken Zeit. Ich bilde mir in Ruhe eine Meinung. Ich nehme meine Umgebung mit allen Sinnen auf. Ich beachte das Sichtbare, das Fühlbare und beziehe die Signale meines Körpers mit ein."
Gewohnheiten: "Mit scharfen Augen erkenne ich altbekannte Fallen und Stolpersteine. Ich atme durch, werde weiter und entspanne mich in den äußeren Druck hinein. Es gibt mir Freude und Selbstrespekt, mir einen neuen Weg zu bahnen ."
Den Tag abschließen
Yoga & Meditation an der Bettkante: 5 einfache Übungen um den Tag abzuschließen, findest du hier. Artikel: Yoga für Nachteulen.
*** Ist es gesund, Gefühle zu steuern?
Das bewusste Beeinflussen schmerzhafter Emotionen ist kein Eingriff in "natürliche Prozesse". Unsere alltäglichen Gefühlswelten sind in Wirklichkeit nicht naturbelassen. Sie sind ebenso Produkt
jahrelanger Prägung, wie unsere Körperhaltung das Ergebnis jahrelanger Bewegungsmuster ist. Was für den Körper gilt, gilt auch für Gedanken und Gefühle: Wenn es weh tut, dürfen wir was
ändern.
Unterwerfung vs. Beherrschung
Beim Sankalpa-Prozess geht es nicht um gewaltsame Selbstunterwerfung. Ich sehe ihn als Selbst-Beherrschung, wie die Beherrschung einer Kunst. Dabei denke ich an einen Musiker, oder einen Tänzer, der jede Faser seines Körpers im Gespür hat. Oder die Yogini, die die gesamte Skala ihrer Gefühle & Gedanken spielt, statt von ihnen gespielt zu werden.
Die Praxis des Sankalpa ist eine der elegantesten Möglichkeiten, Yoga im Alltag zu leben. Sie verbindet das Hinein- und Hinaushorchen, Mitformen und Mitgehen mit dem Augenblick. Sie macht uns
wieder zum Kapitän am eigenen Schiff und zur Gestalterin unseres Erlebens.
Ich wünsche uns kraftvolle Absichten!
Susanna
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