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Der Adler: Leidenschaft bündeln

Hoch in den Bergen kämmt er mit seinen gewaltigen Flügeln die Wolken. Seinem Blick entgeht kein Detail und doch behält er das große Ganze im Auge. Sein Königreich ist aus Raum, Luft und Licht gemacht. Der Adler ist frei; nichts kann ihn halten, nichts kann ihn binden.

Lebendige Praxis

Es gibt viel Literatur zur Ausführung der Haltungen.

Aber was verkörpert eine Asana?

Welche geistigen Aspekte kann sie stärken?

Darum geht es in dieser Kolumne.

Die Adlerhaltung: keine Spur von fliegender Leichtigkeit!

Was für ein Asana!

 

Der Körper ist verkorkst und verzwirbelt - keine Chance auf einen ausgedehnten Flug.

Die Arme vor dem Gesicht wie das sprichtwörtliche Brett vorm Kopf.

Wackelig auf einem Bein stehend wie ein zerzauster, alterschwacher Adler hoch oben auf seinem Horst.

Was habt ihr euch dabei gedacht, Yogis, als ihr diese Zwirbelhaltung nach dem mächtigen Garuda, dem König der Lüfte, benanntet?

Garudasana
Garudasana


Intro: Garuda, der Mächtige

Die indische Mythologie nennt Garuda als mächtiges, adler-ähnliches Reittier Vishnus. Vishnu ist bekannt als der Bewahrer, seine Frau Lakshmi versorgt die Menschheit mit Reichtum und Schönheit. Auf manchen Abbildungen sieht man das Pärchen gemeinsam auf Garuda durch die Lüfte fliegen.

 

Garuda ist der Erzfeind der Schlangen, seine Flügelspanne kann die Sonne verdecken, sein Schrei lässt Himmel und Erde erzittern.

 

In der Haltung Garudasana kommt allerdings keine freie, ausgedehnte Atmosphäre auf. Nicht für mich.

 

Aber in den Erzählungen über Garudas Jugend findet sich eine geheimnisvolle Passage.

Geburtsstunde eines strahlenden Vogels

Garuda schlüpft als Sohn der Himmelsgöttin Vinata aus seinem Ei. Seine Geschwister sind Blitz und Morgenröte. Schon als Jungvogel gleicht sein Auftreten einem höllischen Inferno:

 

Er blendete alles wie ein großes, loderndes Feuer, und sein Glanz glich dem Feuer am Ende der Yugas. Seine Augen waren so hell wie Blitze. Gleich nach seiner Geburt wuchs sein Körper zu riesiger Größe heran, und er erhob sich mit lautem Gebrüll in den Himmel wie ein zweites Meeresleuchten.

Mahabharata, 1. Buch, Kapitel 23

 

Unter den Göttern kommt Panik auf. Sie laufen zum Feuergott Agni mit der Vermutung, er hätte vielleicht über einige seiner Feuerspiele die Kontrolle verloren. Doch Agni klärt sie auf, dass das Licht der Adler Garuda sei und dass er den Göttern helfen wolle.

 

Die Götter begrüßen und verehren Garuda. Der Adler erkennt, dass seine Erscheinung ihnen Angst macht und ...

... er VERMINDERT seine Energie und Pracht.

In Garudasana gleicht der Körper dem mächtigen Adler, der seine leuchtende, feurige Kraft in sich zurückzieht.

 

Der Augenblick für seinen großen Auftritt ist noch nicht gekommen. Garuda lernt, seine mächtige Ausstrahlung gezielt einzusetzen.

 


Den Mythos im Körper erleben

Es gibt Momente, in denen die eigene Intensität im Umfeld mehr Verwirrung als Fortschritt bewirkt. Das sind Augenblicke, in denen es klüger ist, das Feuer zu bündeln und den rechten Moment dafür abzuwarten. Denn es gilt genauso weise zu erkennen, wann wir durch unsere Sichtweise und Begabung einen wesentlichen Beitrag leisten sollen.

Es braucht ein wenig Übung, um den Unterschied herauszufinden:

Sein Licht unter den Scheffel zu stellen

ist etwas Anderes, als

das persönliche Feuer hüten zu können.

 

Mit Feuer und Licht meine ich all das, was "aus uns heraus" möchte. Was auch immer uns so bewegt, dass wir es mitteilen und zeigen wollen, ist erkennbar an einer eigenen Intensität. Es macht uns lebendig.

 

Natürlich ist es eine Typfrage, ob selten Begeisterung aufkomt, oder das Feuer manchmal so stark lodert, dass es uns zu verbrennen droht.

 

Wann ist der richtige Zeitpunkt, aus sich herauszugehen, sich zu zeigen und zuzumuten?

 

Wann ist es angebracht, sich zu sammeln, um das Umfeld nicht haltlos zu überrumpeln?

 

Wenn die Balance zwischen Selbstausdruck und -mäßigung ein wichtiges Thema ist, kann Garuda die Kunst des Strahlens und Bündelns lehren.

Adler-Anatomie


Der Adler fördert das Gleichgewicht,

den Muskeltonus in Fußgewölben,

Knöcheln, Knien und Oberschenkeln.

 

Er lindert Ischias-Syndrom und Schmerzen im unteren Rücken.

 Je nach Körperbau kommt eine befreiende Dehnung der Waden und/oder Beinabduktoren zustande.

 

Kombiniert wird das mit einer intensiven Dehnung

zwischen den Schulterblättern,

im rückwärtigen Herzen also.



Eine Meditation in der Adlerhaltung

Garuda erinnert daran, dass nichts verkehrt daran ist, uns immer wieder anfachen zu lassen. Wir sollen begeistert und entflammt sein. Unsere Hitze bringt alles zum Keimen. Unsere Leidenschaft dient uns zur eigenen Freude. Wir wurden nicht als inspirierte Wesen geschaffen, um uns zu verstecken.

 

Doch die Kunst liegt darin, die eigene Begeisterung so lange in uns schüren zu können, bis wir sie im rechten Augenblick auf die Menschheit loslassen.

 

HALTUNG EINNEHMEN

Garuda also, dieser mächtige, leuchtende Teil in uns, zieht sich langsam in sich zurück. Er faltet seine Flügel. Er verschränkt seine Beine. Er begrenzt seinen Adlerblick. Er weiß, dass seine Kraft dosiert werden muss - Feuer kann erleuchten und verbrennen. Es ist alles eine Frage des rechten Zeitpunkts. Deshalb faltet sich Garuda um sein eigenes Licht. Wenn es ihm zu heiß wird, kann er Dampf ablassen: die Rückseite seines Herzens ist weit und offen. Garuda versteht es, die Balance zu halten.

 

SICH ENTFALTEN - DIE HALTUNG AUFLÖSEN

Wenn der rechte Augenblick gekommen ist, lässt Garuda sein Feuer aufflackern. Er entfaltet seine Flügel, mächtig, strahlend. Er entfaltet seine Beine. Er fliegt und seine Flügel überspannen den ganzen Himmel. Garuda ist frei.

Und was denkst du? Was sieht dein Adlerauge?

Hier ist Platz für deine Perspektive.

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Mag. Susanna Kubarth

Certified Hatha & Restorative Yoga Teacher

Certified Yoga Nidra Teacher

Meditative Tarot Teacher & Practitioner

Zertifizierte Systemische Geld&Wert Coach

 

Mail: info@embody-yoga.at

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