Der Herbst bringt kühlere Luft, die ersten Infekte und vielleicht eine leise Melancholie.
Der Fisch hilft uns, Steine vom Herzen zu rollen, die Stimmung zu heben und jene Energiebahnen anzusprechen, die Herz, Lunge, Haut und Ausscheidung (v.a. den Dickdarm) versorgen.
Lebendige Praxis
Es gibt genug Literatur zur Ausführung der Haltungen.
Aber was verkörpern wir in einer Asana? Welche geistigen Aspekte kann sie stärken?
Darum geht es in dieser Kolumne.
Stärkt und belebt: die Rückenstrecker, Bizeps, Trizeps, Nackenmuskulatur.
Dehnt und belebt: Bauchmuskulatur, Hüftbeuger, Zwischenrippenmuskulatur, Halsmuskulatur.
Mit Lehrer üben bei: empfindlichem Nacken, Asthma, sehr niedrigem oder hohem Blutdruck, Kopfschmerz, Schlafstörungen.
Die mythische Geschichte:
Eine große Flut stand bevor. Ein Gott hatte Erbarmen und wollte die Menschen warnen. Es war Vishnu – er verwandelte sich in einen kleinen Fisch und sprang in einen Fluss.
Der große König Manu ging am Ufer spazieren, während seine Diener Wasser holten. In einem Krug entdeckte er einen winzigen Fisch: Matsya. Aus einer Laune heraus nahm er ihn mit in den Palast.
Am nächsten Tag entdeckte der König, dass Matsya gewachsen war. Er füllte den Krug beinahe aus und der König ließ ihm einen größeren geben.
Am folgenden Morgen sprengte Matsya fast den neuen Krug. Wieder bekam er einen größeren.
Und so ging es immer weiter. Der Fisch wuchs unaufhörlich, bis der König keinen Behälter mehr fand. Da dämmerte ihm, dass der Fisch göttlich sein müsse. Erstaunt fiel er auf die Knie. Vishnu zeigte sich dem König und erklärte ihm, dass er gekommen sei, um ihn auf die Flut vorzubereiten.
Er unterrichtete den König wochenlang und ließ ihn ein großes Schiff bauen.
Als die Flut kam, bestieg Manu mit seinen besten Leuten, seinen Gerätschaften und Büchern das Schiff, während Matsya hinterher schwamm und lenkte. Als Manu, der künftige Erbauer der Zivilisation, neues Land erreicht hatte, verabschiedete sich Matsya und verschwand für immer im Ozean.
Im Fisch verkörpern wir den immerzu wachsenden Matsya.
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Anatomische Besonderheiten
die Position der Arme kombiniert mit der Rückbeuge fixieren die hinteren und seitlichen Rippen und die Bauchdecke. Durch die Hebelwirkung der Arme lenkt der Fisch den Atem zum Mittelpunkt der Brust. Er lässt nur dort Bewegung zu.
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Die Parallele zwischen Anatomie und Mythos
Im Fisch öffnet sich der Brustkorb - symbolisch das Herz - mit jeder Einatmung mehr, genau wie Matsya von Tag zu Tag wächst. Der Vergleich ist interessant: es ist unser Herz, unser Mitgefühl, das sich täglich mehr ausdehnt – das ist unser göttlicher Aspekt, der innere Matsya.
Es widerspricht der Vernunft, täglich neues Mitgefühl für uns und andere aufzubringen, vor allem wenn wir von persönlichen Katastrophen bedroht werden. "Bis hierhin reichen meine Bereitschaft, mein Verständnis - und nicht weiter." Mutig sind wir, wenn wir uns dennoch weiter ausdehnen und die alten Grenzen sprengen.
Nur unsere göttliche Natur versteht, dass die mitfühlende Ausdehnung unsere Rettung ist. Nur sie hält uns staunend und berührbar, nur sie macht uns menschlich.
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Die Verkörperung:
Der höchste Punkt ist das Zentrum meiner Brust. Ich hebe mein Herz zum Himmel – wortwörtlich. Mein Atem kann nur dorthin strömen: ins Herz. Manchmal sprengt er einen Knoten, Tränen schießen in die Augen. Manchmal hebt er eine Last – Erleichterung, Freude. Danach ruhe ich in der neuen Weite. Der Atem hat wieder Platz, ich habe Platz. Ein weites Herz kann die Welt tragen.
P.S.: Im Fisch üben manche Yogis übrigens auch Pranayama (Atemlenkungen): im Wasser treibend.
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